Pressestimmen 2014

Neue Ideen der frühen Romantik erklingen

Das Ardinghello-Ensemble war am Samstagabend zu Gast in der Münsinger Zehntscheuer.
Foto: Torsten Pohling

Gesellschaft der Musikfreunde: Konzert in der Zentscheuer mit dem Ardinghello-Ensemble

Konzert der Gesellschaft für Musikfreunde am Samstagabend in der Zehntscheuer: Das Ardinghello-Ensemble aus Freiburg spielte Trios und Quartette von Mozart, Beethoven, Haydn, Schubert und Danzi.

"Seit etwa 1770 setzten sich zunehmend auch die Komponisten mit den neuen Ideen der frühen Romantik auseinander", schreibt Flötist und Professor für historische Flöten, Karl Kaiser. Genau dieses Denken, Fühlen und Klingen brachte das Ardinghello-Ensemble in der Zehntscheuer dem hingebungsvoll lauschenden Publikum nahe. Mit sehr intensivem Applaus und einzelnen "Bravo"-Rufen (derer es mehr würdig gewesen wären) dankten die Zuhörer den Künstlern.

Das Ardinghello-Ensemble setzte sich am Samstagabend zusammen aus Karl Kaiser auf originalen Flöten des 19. Jahrhunderts, Annette Rehberger auf der Violine, Sebastian Wohlfahrt auf der Viola und Gesine Meyer-Eggen am Violoncello. Bei allen Musikern war die Perfektion zu spüren. Trotz der Größe des Saales konnten die Zuhörer die angenehme Kammermusikatmosphäre spüren.

Während die Damen konzentriert und ernsthaft dreinschauten huschte bei den Herren hin und wieder auch Freude und Entspanntheit übers Gesicht. Am Ende zeigten alle ihre Freude - das Publikum durch ausgiebiges Applaudieren, die Musiker durch Lächeln und Vereinsvorsitzender Peter Schlenker durch das Überreichen eines Blumengebindes an jeden der Musiker. Diese ließen sich dann auch nicht lange bitten und spielten eine Zugabe: Es war ein Satz aus einem Quartett von Ferdinand Ries, das in etwa 1815 entstanden war.


ALB-BOTE | Torsten Pohling | 18.11.2014

Schimmerndes Mondlicht und wuchtige Klänge

Ein Höhepunkt in der Konzertreihe: Bei den Musikfreunden spielte in der Zehntscheuer das Amaryllis-Quartett nebst Katharina Schlenker auf.

Zum neunten Konzert der laufenden Saison hatte die Gesellschaft der Musikfreunde in die Zehntscheuer eingeladen. Als Gastensemble konnte - zusammen mit der aus Münsingen stammenden, vielfach preisgekrönten und hier bestens bekannten Pianistin Katharina Schlenker - das Amaryllis-Quartett gewonnen werden. Dieses Ensemble zählt zu den führenden Streichquartetten. Seine Mitglieder musizieren seit mehr als zehn Jahren zusammen, für die beste Kammermusikeinspielung 2012 konnten sie den Echo-Klassik-Preis erringen.

Eröffnet wurde das Konzert mit Beethovens Streichquartett c-Moll op. 18,4. Der tragische Grundzug des Werkes, der übrigens nicht in allen vier Sätzen durchgehalten wird, erscheint schon im ersten Satz mit einem überaus langen Hauptthema und fordert vor allem vom Primarius hohes solistisches Können.

Dieses Thema schließt mit wuchtigen Akkorden, denen eine Generalpause folgt. Beim Seitenthema in einer freundlichen Dur-Tonart entfaltet das Amaryllis-Quartett eine fast schwelgerische Sanglichkeit, während es die Durchführung als dramatische Auseinandersetzung gestaltet - zwischen dem Dunklen des Hauptthemas und dem Hellen des Seitenthemas. Doch selbst die Coda vermag den Satz nicht von jener drückenden Last der tragischen Wandlung zu befreien. Ganz anders das Andante scherzoso: Fugenartig zieht das aus zweimal drei gleichen Tönen bestehende Thema durch den ganzen Satz, der beim Amaryllis-Quartett leichter und luftiger wirkt. Man meint, galante Zierlichkeiten zu vernehmen.

Den Schluss-Satz lässt das Ensemble sodann in ungestümer Wildheit dahinstürmen, reich an Kontrasten und dynamischen Akkorden. Das furiose Presto endet in herrischer Gebärde mit fast herausgeschleuderten Schluss-Schlägen. Die ganze Palette der Beethovenschen Leidenschaftlichkeit wurde von den Streichern, deren präzises Spiel begeisterte, hervorragend herübergebracht.

Exquisite Interpreten im vollbesetzten Saal der Zehntscheuer

In eine neuere Welt - in die eines musikalischen Gemäldes - entführten die Musiker ihre Zuhörer sodann mit Maurice Ravels einzigem Streichquartett. Das Amaryllis-Ensemble beherrscht die Eleganz französischer Melodien: Schimmerndes, verklärtes Mondlicht im ersten Satz, fein ziselierte Klänge, alle Techniken der Streichinstrumente - pizzicati, con sordino, Doppelgriffe, Flageoletts - wurden von den Musikern meisterhaft dargeboten, sowohl an den fast hingehauchten Piano-Stellen als auch in den kraftvoll einher schreitenden Akkorden.

Als erlebe man ein großes Orchester, so gibt sich das Klavierquintett Es-Dur von Robert Schumann, bei dem Katharina Schlenker im überaus virtuosen Klavierpart überzeugte. Auf- und absteigende Tonleitern wirken wie Perlenketten - mit einer Perfektion des Zusammenspiels zwischen Pianistin und Streichern, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt. Und das alles noch in rasantem Tempo.

Die Zuhörer im vollbesetzten Saal dankten - auch in der Hoffnung, bald wieder ein derart hochkarätiges Konzert zu erleben - mit lang anhaltendem Beifall. Und die Musiker spielten als Zugabe nochmals einen Teil des Schumann-Scherzos - in noch rascherem Tempo.


ALB-BOTE | Manfred Frischknecht | 27.10.2014

Panflöte jenseits aller Klischees

Benefizkonzert – Für die Münsinger Martinskirche

Wenn man einen Komponisten wie Harald Genzmer beim Kaffeetrinken davon überzeugen kann, ein Stück für einen zu schreiben, ist das schon eine Auszeichnung. Ulrich Herkenhoff ist sie zuteilgeworden: Genzmer schrieb für ihn und sein Instrument, die Panflöte, eine Solo-Sonate, die Herkenhoff jetzt in der Münsinger Martinskirche spielte. »Genzmer schrieb für die seltensten Instrumente, er hatte einen Instinkt dafür, was ihnen entgegenkommt«, sagt Herkenhoff über den im Jahr 2007 verstorbenen Komponisten.

Feines Gespür für den Charakter des Instruments beweist Genzmer zweifellos auch mit seiner Panflöten-Sonate: Er greift Assoziationen und Reminiszenzen an ihre mythologische Herkunft auf, lässt den Hirtengott in einem launigen Satyr-Spiel aufleben. Pans Tanz im Hier und Heute, in der musikalischen Sprache der gemäßigten Moderne, hier und da spröde und herb, doch immer auch von kapriziöser Eleganz und Eloquenz, deren sprudelnde Vitalität den Interpreten Herkenhoff durchaus fordert.

Der 48-Jährige ist einer der wenigen Profis auf der Panflöte: Als Autodidakt eignete er sich das Spiel auf diesem Instrument als Jugendlicher an, studierte später Querflöte am Richard-Strauss-Konservatorium in München – und absolvierte die künstlerische Reifeprüfung dann doch auf der exotischen Panflöte. Kitschig und kommerziell, in die Fußgängerzonen, wo Straßenmusiker auf ihr spielen, oder in die Ethno-Pop-Ecke gestellt: Kaum ein Instrument hat mit so vielen Klischees und Vorurteilen zu kämpfen wie die Panflöte.

Von Romantik bis Roma-Musik

Dazu, dass sie als Konzertinstrument in elitären Klassikzirkeln zunehmend Anerkennung findet, trägt Herkenhoff bei – auch wenn er sich, in Münsingen begleitet von Matthias Keller auf der Orgel, bei der Stückauswahl immer noch weitgehend auf Bearbeitungen stützen muss. Aus dem Repertoire der Querflöte wählt er Mozarts C-Dur-Andante (KV 315), von Telemann leiht er sich eine Oboen-Sonate. Beides funktioniert durchaus, das stimmigste Bild allerdings ergibt sich dann, wenn Herkenhoff Barock und Klassik hinter sich lässt.

Bela Bartoks Volksliedbearbeitungen »Aus Gyergyo« für Blockflöte passen hervorragend zur Panflöte, die teilweise wie freie Improvisationen wirkenden Stücke kommen ihrem folkloristischen Charakter entgegen. Auch in der Filmmusik spielt die Hirtenflöte eine Rolle, Herkenhoff arbeitete mehrfach mit Ennio Morricone für Soundtracks zusammen und gab beim Münsinger Benefizkonzert für die Sanierung der Martinskirche einige Kostproben.

Einen bemerkenswerten Höhepunkt setzte das Duo mit einer Bearbeitung eines Orgelwerks von César Franck (Prélude, Fugue et Variation opus 18): Die süße Wehmut der französischen Romantik passt zum bittersüßen Tonfall der Panflöte, deren Klang sich wie ein weiteres Orgel-Register in Matthias Kellers Spiel fügt. Zum Schluss kehrte Herkenhoff zu den Wurzeln zurück: Die Herkunft der Panflöte aus der Volksmusik zelebrierte er mit den unwiderstehlich treibenden Rhythmen der rumänischen Sinti- und Roma-Musik. (ma)


Reutlinger General-Anzeiger | 25.09.2014

Vielfalt der Panflöte trifft auf Orgel

Außergewöhnliches Klangerlebnis: Matthias Keller (Orgel) und Ulrich Herkenhoff (Panflöte) begeisterten die Zuhörer am Samstagabend beim Benefizkonzert in der Martinskirche.
Foto: Maria Bloching

Benefizkonzert von Ulrich Herkenhoff und Matthias Keller für die Martinskirche Münsingen

Das Benefizkonzert in der Martinskirche wurde am Samstagabend zu einem beeindruckenden Hörerlebnis. Ulrich Herkenhoff und Matthias Keller boten auf Panflöte und Orgel ein breites Klangfarbenspektrum.

Es war dem gemeinsamen Engagement der Gesellschaft der Musikfreunde und des Evangelischen Kantorats Münsingen zu verdanken, dass die zahlreichen Besucher des Benefizkonzerts zugunsten der Finanzierung der aktuellen Baumaßnahmen an der Martinskirche einen ganz besonderen Abend erleben durften.

Mit Ulrich Herkenhoff konnte ein meisterhafter Panflötenvirtuose begrüßt werden, der sowohl über eine exquisite Spieltechnik wie auch über eine sensible und facettenreiche Ausdruckskraft verfügt und es versteht, sein Publikum zu verzaubern. Seit 1987 tritt der mehrfach ausgezeichnete Panflötist in Orgelbegleitung des Kirchenmusikers, Musikpädagogen und Musikjournalisten Matthias Keller auf und begeisterte nun auch in dieser Duo-Formation in der Münsinger Martinskirche. Hier wurde die Panflöte endlich einmal abseits von Fußgängerzonen als eines der ältesten Musikinstrumente der Menschheit präsentiert und mit einer atemberaubenden Virtuosität klassische Werke von Telemann, Bach, Mozart, Bartók, Fauré und Franck sowie Filmmusik von Barry und Morricone eindrucksvoll zu Gehör gebracht.

Äußerst flexibel und feinfühlig balancierte der Panflötist zwischen diversen Klangfeldern, er reihte subtil Töne wie Perlen aneinander und versetzte das Publikum in einen wahren Sinnesrausch. Herkenhoff ließ seine Panflöten singen, seufzen, schluchzen und weinen, er brachte sie zum Lachen, Flüstern, Wispern und Jubilieren. Immer wieder führte der herausragende Musiker mit seinen unterschiedlichen Panflöten einen spannenden und harmonischen Dialog mit Matthias Keller an der Orgel und glänzte dabei durch eine vielfältige Ausdruckskraft, mit der er großartige Werke wie „Sonate für Oboe und Basso continuo a-Moll“ von Georg Philipp Telemann, „Concerto C-Dur“ von Johann Sebastian Bach oder auch „Andante C-Dur“ von Wolfgang Amadeus Mozart geradezu zelebrierte.

Mal hielt sich die Orgel dezent zurück, mal drängte sie sich in solistischer Perfektion in den Vordergrund. Dabei wurde deutlich, wie sehr die beiden Künstler seit Jahrzehnten in der Musik miteinander verbunden sind und mit welcher Großartigkeit sie sich gegenseitig ergänzen, unterstützen und zu Höchstleistungen antreiben. Ganz gleich, nach welchen Komponisten das Tönende erzeugt wurde – es bereitete durchgängig einzigartige Hörfreuden. Hingebungsvoll und andächtig wurden Johann Sebastian Bachs „Erbarme Dich“ aus der „Matthäus-Passion“ und „Pie Jesu“ aus dem „Requiem“ von Gabriel Fauré intoniert, während Ennio Morricones „Gabriels Oboe“ aus dem Film „The Mission“ und „Cockeye’s Song“ aus dem Film „Es war einmal in Amerika“ mit voller Wucht unter die Haut ging und die Konzertbesucher tief bewegte.

Höhepunkt des anspruchsvollen und äußerst niveauvollen Programms war die Darbietung der „Sonate für Panflöte solo“, die der zeitgenössische Komponist Harald Genzmer eigens für Ulrich Herkenhoff geschaffen hat. Mit diesem Klassiker der Moderne zeigte der Flötist auf, über welch grandiose Fertigkeiten er verfügt. Er erzielte durch die Änderungen im Anblaswinkel und im Atemdruck feinste Nuancen des Tonartenspektrums, setzte selbst bei irrwitzig rasanten Stellen für jeden Ton seine Lippen an die richtige Pfeife und erzeugte ein faszinierendes und zauberhaft farbenfrohes Klangbild. Ganz ohne Orgelbegleitung erzählte Herkenhoff mit seinem fast schon akrobatischen Spiel eine spannende, wilde, traurige und nachdenklich machende Geschichte und setzte dem vor sieben Jahren verstorbenen Komponisten, der für die Panflöte ein außerordentliches Feingefühl an den Tag legte, ein Denkmal.

In allen Darbietungen war durch die gegensätzlichen Charaktere der Stücke Technik im Besonderen gefragt, so wie auch in den Improvisationen über rumänische Themen, die das Programm prächtig abrundeten.

Herkenhoff ist es durch die klassische Ausrichtung gelungen, der Panflöte als Instrument des antiken Hirtengottes aus der griechischen Mythologie ein vielseitiges Gesicht zu verleihen. So ist sie nicht nur in der Volksmusik der südamerikanischen Anden und in Rumänien beheimatet, sondern wurde mit ihrem Klang durch Ennio Morricones Film-Musik bekannt. Herkenhoff hat hierbei mehrfach mitgewirkt und trat auch gemeinsam mit Morricone bei dessen Deutschland-Debut in der Münchner Philharmonie und in der Arena di Verona auf. Auch sein Partner an der Orgel hat sich als Komponist und Arrangeur in der Musikwelt einen Namen gemacht. 


ALB-BOTE | Maria Bloching | 22.09.2014

Irisch-schottischer Saitentanz im Schlosshof

Ein bisschen Irland auf der Alb: Clàrsach spielte am Sonntag in Grafeneck auf. Foto: Sabine Zeller-Rauscher

Clàrsach spielte zugunsten des Schulprojekts Brasil in Grafeneck - Altes Liedgut voll Temperament und Leidenschaft

Liebe, Herzschmerz, Mord und manchmal auch Romantik pur, verpackt in irischen und schottischen Klängen: "Clàrsach" spielte am Sonntag im Schlosshof Grafeneck zu Gunsten des Schulprojekts Brasil auf.

Gerne wird der Irish Folk mit Gassenhauer wie "Whiskey in the jar" in Verbindung gebracht. Die typischen Gassenhauer wurden beim Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen in Grafeneck nicht geboten. Dafür altes Liedgut, das Lebensfreude, Temperament und Leidenschaft vereinte. Seit acht Jahren schon tritt das Irish & Scottish Folk Music Ensemble "Clàrsach" gemeinsam auf.

"Clàrsach" eine keltische Harfe, unter anderem auf der irischen 1-Euro-Münze abgebildet, kam auch beim Konzert zum Einsatz. Ein Instrument, das nicht nur optisch eine Besonderheit darstellt, sondern auch in seinem Klangbild. Norma Huss begeisterte beim Benefizkonzert mit dem traditionellen Instrument, wie mit ihrer Stimme, der die schottische Färbung noch immer anzumerken war. Kein Wunder, dass rund 75 Prozent des gespielten Liedguts schottische Wurzeln haben. Walter Zeyher verstand sich auf den irisch-schottischen Saitentanz auf Gitarre und Mandola, während Claudia Florenski stets den richtigen Ton auf Geige, Akkordeon und Flöte traf, Thomas Kolb einen irisch-schottischen Tastentanz auf seinem Keyboard spielte.

 Claudia Florenski verriet, dass sie und ihre Bandmitglieder eigentlich eher zu den Nachtschattengewächsen zählen, die meist bei gedämpftem Licht in verschiedensten Clubkellern aufspielen. Ganz anders das Ambiente in Grafeneck, wo zum Teil wohl behütet, Männer und Frauen neben spielenden Kindern die Julisonnenstrahlen ebenso wie das farbige, Klangbild, mal zart, mal romantisch oder voller Temperament, genossen. Gefehlt hat eigentlich nur noch ein rauchiger Whiskey oder ein kühles Guinness in der Hand der Gäste. Beides fand sich nicht im Kühlschrank des Schlosscafé.

Wer jedoch genau diese Genusskombination anstrebte, hatte die Möglichkeit, sich in der Pause eine CD des Quartetts, welches aus Kernen-Stetten im Remstal angereist war zu kaufen, um im heimischen Wohnzimmer den CD-Player anzuwerfen und sich ein Gläschen zu gönnen. Das Grafeneck-Ambiente, das nicht nur von den mehr als 150 Zuhörern, sondern auch von den Musikern hochgelobt wurde - das fehlt dann da natürlich. Ohne Zweifel Peter Schlenker, Vorsitzender der Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen hatte mal wieder ein geschicktes Händchen in der Musikerauswahl fürs Juli-Konzert bewiesen.

Orgel- und Panflötenklang wird dann beim Septemberkonzert am 20. September in der Martinskirche zu hören sein.


ALB-BOTE | Sabine Zeller-Rauscher | 29.07.2014

Schottisches Seemansgarn

Viele Zuhörer für "Clàrsach": Open-Air-Konzert im Schlossgarten.
Foto: Schrade

Benefiz – Sommerkonzert für Schulprojekt Brasil

Man sagt, dass die Schotten und die Schwaben einiges gemeinsam haben. Ob die Sache mit dem sprichwörtlichen Geiz überhaupt stimmt und ob es noch mehr gibt, was die beiden Volksstämme verbindet, können die Akteure des Ensembles »Clàrsach« beantworten: Für sie ist es die Liebe zur irischen und schottischen Folk-Musik. Am Sonntag gab das Quartett ein Benefizkonzert zugunsten des Schulprojekts »Brasil«. Erneut hatte die Münsinger Gesellschaft der Musikfreunde Schloss Grafeneck zum Schauplatz ihres Sommerkonzerts gemacht, viele Menschen nutzten das schöne Wetter zu einem Kultur-Ausflug.

Die einzige echte Schottin im Quartett ist Norma May Huss, sie spielt die »Clàrsach«. Die gälische Harfe, die – praktischerweise – etwas kleiner ist als die Konzertharfe, gab der Gruppe ihren Namen. Ihre drei Mitstreiter hat Norma May Huss im Schwabenland gefunden. Thomas Kolb spielt Klavier, Claudia Florenski ist die Multi-Instrumentalistin im Ensemble. Flöte, Akkordeon oder Geige – sie greift sich das Instrument, das das jeweilige Stück fordert. Walter »Paule« Zeyher hat nicht nur ein Händchen für Saiteninstrumente wie Gitarre oder Mandoline, sondern auch rhetorisches Talent. Mit Witz und so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, führt er durchs Programm.

Blutrünstiges Liebesdrama.

Im Repertoire hat das Quartett Volksmusik, bei der es – für Inselvölker nicht eben überraschend – viel ums Wasser geht.

Da liegt es natürlich nahe, bei der Gelegenheit auch gleich über die Matrosen-Liebe (mal mehr, mal weniger glücklicheren Verlaufs) zu singen. Oft auch mehrstimmig übrigens. Mal so, wie es die Vorfahren taten, und mal so, wie es moderne Singer-Songwriter jenseits des Ärmelkanals heute tun.

Die traditionellen Instrumentalstücke und Lieder stammen nicht nur aus Irland und aus Schottland, sondern auch aus den USA, wohin es die irischen Auswanderer zog. Dass einer eben jener Songs mit unverkennbarer Bluegrass-Note und für einen Gitarristen eher langweiligen drei Akkorden nicht unbedingt zu seinen liebsten gehört, teilt Paule Zeyher dem Publikum unverblümt mit und erntet Lacher. Auch seine Kollegen nehmen’s ihm nicht krumm und spielen zur Versöhnung ein Stück, das alle lieben. Wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil’s dort nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich ordentlich zur Sache geht.

Der Seemann »William Taylor«, zweifelhafte Hauptperson der Geschichte, wird von seiner Braut erst schmerzhaft vermisst, dann mit einer anderen erwischt. Die Betrogene fackelt nicht lange, zückt ihre Pistole und erschießt beide. Ihre Entschlossenheit beeindruckt den Kapitän des Schiffs so sehr, dass er den unglücksseligen William Taylor sogleich durch die beherzte Revolverheldin ersetzt. Ob diese blutrünstige Geschichte das Leben schrieb, oder doch ein Autor, mit dem die Fantasie durchging, ist leider nicht verbürgt. (ma)        


Reutlinger General-Anzeiger | 29.07.2014

Ein charmanter Star zum Anfassen

Melva Houston und ihre Band verbreiteten in der Zehntscheuer gute Laune.
Foto: Heike Feuchter

Melva Houston und Band bringen das Publikum in der Zehntscheuer zum Grooven und Swingen

Ein Konzertereignis der Extraklasse erlebten die Besucher der Zehntscheuer am Samstag: Melva Houston und Band gastierten und rissen das Publikum in einen wahren Taumel des Jazz- und Bluesfeelings.

Könnte ein Gebäude in den Hüften schwingen und mit den Beinen wippen - die altehrwürdige Zehntscheuer hätte dies zusammen mit dem Publikum am Samstag sicher getan. Denn was die Grand Dame der Jazz- und Gospelszene und ihre herausragende Band ablieferten riss kollektiv mit, begeisterte, berührte und brachte das Publikum im vollbesetzten Saal zum Grooven und Swingen.

Schon mit 15 Jahren hat die in Memphis/Tennessee geborene Melva Houston durch Aufnahmen mit Stargrößen wie Wilson Pickett und Otis Redding Musikgeschichte geschrieben, ist ständig gefragter Star bei renommierten Jazzfestivals in North Carolina und in Europa. Geprägt durch die Tradition der farbigen Bevölkerung ihrer Heimat ist sie eine authentische Vertreterin des Blus- und Jazzgenres und drückt dieses mit ihrer Wahnsinnsstimme aus. Die glänzend aufgelegte Houston begeisterte mit ihrer alle Facetten umfassenden markanten und variablen Stimme und brachte die Musikcharaktere der Werke mitreißend zum Ausdruck.

Sie zeigte sich als Meisterin der Emotionen, bewies Ausdruck bis in die Fingerspitzen und präsentierte sich als begnadete und humorige Unterhalterin. Um sich versammelt hatte die Ausnahmekünstlerin das "Who is who" der hiesigen Jazzszene: Saxophonistin Regina Büchner, Béatrice Kahl an Klavier und Keyboard, Rainer Frank am Kontrabass, Daniel Messina am Schlagzeug und Jazzgeiger Hajo Hoffmann zeigten sich als exzellente Jazzmusiker, hochkarätige Solisten und gekonnte Entertainer. Man könnte meinen, die fulminant spielenden Profimusikerinnen und -musiker hätten allesamt einen Schuss Südstaatenblut mit der Muttermilch aufgesogen, so überzeugend und antreibend lieferten sie den Klang- und Rhythmusteppich der Werke.

Bestens gelaunt groovten, swingten, jazzten, rockten sie durch den Abend, rissen das Publikum mit ihren brillierenden und technisch perfekten Solopassagen fast von den Stühlen und wurden dafür in jedem Stück mit jubelndem Zwischenapplaus belohnt. Von der ersten Minute an sprang der Funke von Melva Houston und Band zum Publikum über, brachte Beine zum Wippen, Gesichter zum Strahlen und sorgte somit für ausnahmslos gute Laune und beschwingtes "Südstaaten-Feeling". Ob bekannte Songs aus der Jazzliteratur wie "Nothing like the Jazz in you", "In the winelight" oder "Summertime" oder weniger Bekanntes aus der Blues- und Jazzszene: der grandios dargebrachte Groove, rhythmische Melodien und die gewaltige Stimme der zierlichen Houston lösten wahre Begeisterungsstürme aus.

Dabei gelang es den Musikern um die Sängerin, die Attribute des Jazz mit dem Blues zu Verbinden, den Swing ebenso gekonnt zu interpretieren wie die romantische Ballade aus der Feder von Schlagzeuger Daniel Messina. "Wir machen heute etwas wildere Musik - aber das Gebäude kann es vertragen", meinte Houston schmunzelnd.
Sichtlich genoss die Jazzdiva die musikalische Zusammenarbeit, groovte über die Bühne, strahlte, schäkerte. Und begab sich - wie auch in der Pause - zum Song "I dont need a Doctor" ins Publikum und zeigte sich als charmanter und charismatischer Star zum Anfassen. Ganz nebenbei gab es Getränketipps und Ratschläge an die Damenwelt, ab wann die Zahl bei Geburtstagen nicht mehr anzusteigen hat ("I'm always 41").

Nach über zwei Stunden herausragender musikalischer Unterhaltung ließ das beim Zugabensong "Fever" als Backgroundchor fungierende Publikum Melva Houston und Band nur ungern von der Bühne. Und nur der strömende Regen verhinderte die Umsetzung von Houstons Prophezeiung, dass keiner heute ohne Groove im Gangbild der Heimat zustreben würde - im Herzen wurde er jedoch mitgenommen.


ALB-BOTE | Heike Feuchter | 01.07.2014

Heiteres Lachen und ehrfürchtige Stille

Das Kobelt-Quantett bereitete den Zuhörern in der Zehntscheuer einen unvergesslichen Abend.
Foto: Sabine Graser-Kühnle

Herausragendes Konzert mit dem Kobelt-Quantett in der Münsinger Zehntscheuer

Das Publikum in der Münsinger Zehntscheuer erlebte am Samstag ein herausragendes Konzert. Die drei Musiker des Kobelt-Quantetts spielten wie die Teufel - und das auf hohem Niveau und mit 23 Instrumenten.

Was haben Benny Goodman, Django Reinhardt und Nicolo Paganini zu tun mit Johannes Kobelt, Adrian Bodmer und Katharina Kobelt? Letztere spielen dieselben Instrumente ihrer berühmten Vorgänger und Erstere hätten ihre Freude am frohgelaunten und virtuosen Spiel dieser Interpreten gehabt. Pures Vergnügen am Musizieren, eine exzellente Beherrschung ihrer Instrumente paarte sich mit phantastischem musikalischem Querdenken in den größtenteils selbst komponierten und arrangierten Werken. Das, sowie die informativen und stets mit einer herrlichen Prise schweizer Humor gespickten Ansagen der sympathischen Eidgenossen führte bei den Zuhörern zum Wechsel von heiterem Lachen und ehrfürchtiger Stille während dieses Konzerts.

Ehrfurcht herrschte dabei auch, weil die Musiker insgesamt 23 Instrumente virtuos spielten. Eine Augenweide war der Anblick der auf der Bühne aufgebauten teils mit kostbaren Intarsien und Malereien geschmückten, sowie kuriosen Instrumente, welche die Musiker vor dem tristen Museumsleben gerettet und wieder zum Leben erweckt haben. Darauf zauberten die Herzblutmusiker beseelte Musik. Als Quantett (ein Wortspiel mit dem Verweis auf die Vielseitigkeit der Musiker am Instrumentarium sowie den Musikgenres) brachten es die drei auf den Punkt: beim rhythmischen Timing und ihrer sicheren Spieltechnik, selbst beim fliegenden Instrumentenwechsel.

Das Quantett nahm sein Publikum mit auf eine "Fünf-Stern-Musaik-Fahrt" quer durch Ungarn, Russland, die Schweiz, "Bach-wärts" und New Orleans. Es spielte sich dabei durch die gesamte Instrumentenfamilien von Domras, Balaleikas, Concertinas und Geigen. Immer wieder schimmerten beliebte Melodien durch die mit Cleverness komponierten Werke. Mit dem "Schwyzerörgeli", einer Art Ziehharmonika, orgelte sich Johannes Kobelt durch seine Folklore-Heimat, derweil Adrian Bodmer bei einer "Blasebalg-Balgerei" zur größten Erheiterung des Publikums seine Jazz-Scatkunst im Rapduktus multilingual vorführte.

Sie spielten Bach, hier quirlig und spritzig in der musikalischen Interpretation des Gewässers, dort gerüscht und gerafft in Variationen des Meisters des Barock, mal kontrapunktisch dann in der Kobeltschen Art eines Latinjazz. Fast wie in einer Jam-Session kam man sich beim letzten Musaiksteinchen, dem Jazz-Stern dieser Sternfahrt, vor. Mit dem Banjo begeisterte Adrian Bodmer, Johannes Kobelt zeigte sich als beflügelter Jazzklarinettist und Katharina Kobelt entpuppte sich als Teufelsgeigerin.

Sie spielte die winzige Tanzmeister(-innen)geige so versiert, wie die Trichtervioline und verzauberte ihr Publikum mit beseeltem und technisch höchst virtuosem Violinenspiel. Und als das Kobelt-Quantett zum Hupkonzert einlud in einer amüsanten Musikshow mit 29 Autohupen, konnten die Zuhörer ihre längst in den Kehlen sitzenden Bravorufe nicht mehr zurückhalten. Erst nach vier Zugaben durfte das Trio von der Bühne gehen.


ALB-BOTE | Sabine Graser-Kühnle | 13.05.2014

Sensibles Kraftpaket

Konzert – Henri Sigfridsson in der Zehntscheuer

Bei seinem Klavierabend auf Einladung der Gesellschaft der Musikfreunde am Sonntagnachmittag in der Münsinger Zehntscheuer widmete finnische Pianist Henri Sigfridsson sich ausschließlich Werken von Frédéric Chopin. Den ersten Teil füllte er mit den 24 Préludes Opus 28, die selten im Zusammenhang zu Gehör gebracht werden - und doch in ihrem Rundgang durch den Quintenzirkel zwischen Moll- und Dur-Tonarten als stimmiges Ganzes erlebbar sind.

Henri Sigfridsson erzeugt mit seiner sensibelen Gestaltung eine ganz spezielle Atmosphäre höchster Konzentration, andererseits fasziniert er seine Zuhörer „con fuoco“ mit leidenschaftlichen Ausbrüchen -  etwa im Prélude Nr. 24 in d-Moll. Diese Kontraste arbeitet er stimmig heraus und bindet damit den Zyklus zu einem überzeugenden Ganzen zwischen anmutig leichter Miniatur (No. 5 in D-Dur), fast impressionistisch anmutenden Glanzlichtern (No. 23 in F-Dur), virtuos perlenden Läufen (No.10 in cis-Moll) und temporeichem „Agitato“ (Nr. 1, 8, 22).

Besondere Sorgfalt widmete er dem „Regentropfen“-Prélude (Nr. 15). Mit feiner Sorgfalt schuf er die Zerbrechlichkeit jedes „Tropfens“, kostete den Kontrast zum zupackenden Mittelteil aus und überzeugte mit der Gestaltung der zarten „letzten Tropfen“, um nahtlos zum feurigen Presto des Prélude Nr. 16 überzuleiten.

Chopins h-Moll-Sonate

Nach der Pause erklang Chopins 3. Klaviersonate h-Moll op. 58. Bei Sigfridsson erscheint das Werk kraftvoll und doch musikantisch genommen im marschartigen Duktus des Kopfsatzes. Das anschließende Scherzo fließt als graziöses Perpetuum mobile, während der Mittelteil mit frei strömenden Melodien und prachtvollen harmonischen Effekten dazu kontrastiert. Tiefsinnig gelingt ihm das Largo, wenn er nach den harten Einleitungspunktierungen unvermittelt zart die Melodik schweben lässt.

In galoppierender Triolenrhythmik geht er kraftvoll ins Finale, vorwärtsdrängend, motorisch, würzt er  die schweren Akkorde mit fliegenden Läufen und führt den Satz fulminant zum Schluss.

Für den tosenden Beifall bedankte sich der Künstler mit der Zugabe einer Nocturne, „obwohl es noch hell ist draußen“! Nocturne Nr. 2 in Es-Dur, bekannt, beliebt, und nun speziell gestaltet vom „Chopin-Spezialisten“ Henri Sigfridsson, wird die Gäste dieses Klavier-Rezitals noch lange begleiten. (elk)


Reutlinger General-Anzeiger | 29.04.2014

Leichtigkeit und Eleganz

Das Ensemble l'Ornamento zu Gast bei der Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen
Foto: Simon Wagner

Das Ensemble l'Ornamento konzertiert bei den Musikfreunden in der Zehntscheuer Münsingen

Alte Musik in junger Besetzung: Das bot am Sonntag das Ensemble l"Ornamento aus Basel. Bei einem mitreißenden Konzert in der Münsinger Zehntscheuer brillierte das Quartett mit leichter Eleganz.

Das Ensemble l"Ornamento ist kein unbekannter Gast in Münsingen. 2003 standen sie als Teenager auf der Bühne der Gesellschaft der Musikfreunde (GdM), erst zwei Jahre zuvor hatten sich die vier beim Wettbewerb "Jugend musiziert" zusammengefunden.

Nur vier Monate nach ihrem Münsinger Gastspiel im April 2003 folgte ein Paukenschlag auf großer, internationaler Bühne. Die Newcomer gewannen den ersten Preis beim renommierten Wettbewerb "Musica Antiqua" in Brügge - und den Publikumspreis noch dazu.

Etwas mehr als zehn Jahre später sind aus den Teenagern von damals erwachsene Frauen und Männer geworden. Sie haben ihr Musikstudium absolviert oder sind gerade dabei. Etliche Auszeichnungen haben Juliane und Katharina Heutjer (Blockflöte und Violine), Sebastian Wienand (Cembalo) und Jonathan Pešec (Violoncello) bekommen. Konzerte geben sie in ganz Europa. Bei all der Euphorie um das Quartett, haben sie sich jedoch die Neugier und den juvenilen Esprit erhalten, mit dem sie 2001 antraten, um Alter Musik neue Seiten abzugewinnen. Vielleicht tun sie es nun etwas bedachter, gereifter - keinesfalls aber mit angezogener Handbremse.

Vor Kraft strotzend, blies l'Ornamento am Sonntag zum Sturm auf die barocken Notenblätter. Claudio Monteverdis tänzelndes "Ritornello" war da zum Einstieg nur ein Vorgeschmack. Der allerdings war gezeichnet durch einen ungeheuer kompakten und reinen Ton.

Diese Brillanz blieb auch in den Momenten erhalten, die in aberwitziger Rasanz noch auf die Zuhörer einprasseln sollten. Zuvorderst Juliane Heutjer sorgte mit glasklar artikulierten Flötentönen für Hochspannung. Ihre Schwester Katharina bewies sich an der Violine als kongenialer Widerpart: sie schob an, fing auf und kommentierte mit variantenreichem Bogenstrich und bildreicher Eloquenz. Das Violoncello und das Cembalo gaben ihnen dabei ein fest verankertes und dennoch atmendes Klanggerüst mit auf den Weg, sie klinkten sich aber durchaus auch temperamentvoll und akzentuiert mit ein.

Zu erleben war in Münsingen großartige Musikalität. Sie war bis in die kleinste Nuance austariert und freudig bereit, jede Wendung und Gangart aufzunehmen, um sie mit farbenreicher Lebendigkeit, Ausdruckskraft und geschliffener Spielintelligenz zu veredeln. Wie unter einem Brennglas war all das etwa in Antonio Vivaldis "Il Gardellino" zu bestaunen. Mehr noch: Im Cantabile kam die andere, die ruhige und innige Gangart der Verzierungskünstler zum Vorschein.

Die Akzente beim musikalischen Gang durch vier Länder setzten jedoch Momente packender Spiellust. In dieser Manier und mit atemberaubender Sicherheit widmete sich Jonathan Pešec solo einer Bach-Suite. Dass am sonst hintergründig agierenden Cembalo ein Virtuose besonderer Güte Platz nahm, wissen die Musikfreunde spätestens seit 2013.

Damals gab Sebastian Wienand in der Zehntscheuer ein bemerkenswertes Solokonzert. Am Sonntag nutzte er die Bearbeitung von Händels Szenen aus "Rinaldo", um sich und die Gäste in einen wahren Klangrausch zu katapultieren.

Riesenapplaus für den international gefragten Künstler. Bei allem, was l'Ornamento in der Münsinger Zehntscheuer spielte, blieb der Eindruck einer Leichtigkeit. Mit dieser hochkomplex arrangierten Leichtigkeit werden sie sicher weitere Publikumspreise einheimsen. Den Münsinger haben sie jedenfalls: Neben Rosen gabs nicht enden wollenden Beifall und Bravo-Rufe.


 ALB-BOTE | Simon Wagner | 18.03.2014

Sonatenform unter der Lupe

Konzert – Klavier-Matinee mit Katharina Schlenker

Zum Auftakt der Konzertreihe 2014 erfreute Katharina Schlenker mit einer Matinee in der Zehntscheuer. Die Sonate F-Dur, KV 280 von Wolfgang Amadeus Mozart, sowie die Sonate h-moll von Frédéric Chopin kamen zu Gehör. Dabei moderierte Katharina Schlenker  selbst, charakterisierte die von ihr ausgesuchten Stücke und vermittelte dabei, dass es ihr an diesem Vormittag nicht um die Zurschaustellung ihrer Virtuosität, sondern um die Auseinandersetzung mit den Kompositionen ging.

Der Sonatenform hatte sie ihr Programm gewidmet -  und begann mit Mozart, der seiner F-Dur-Sonate extreme Kontraste in Tempo und Affekt verliehen hat. Kantabilität und italienische Elemente, typisch für den jungen Mozart – er schrieb dieses Stück als 18-Jähriger – charakterisieren den ersten Satz. Der zweite, ein f-moll- Adagio im Siziliano-Rhythmus, schwelgt in feiner Melodik, bis schließlich im spritzigen  Finale die fröhlichen Stimmung zurückkehrt.

Zupackend beginnt die Pianistin den ersten Satz, läßt Läufe perlen, setzt fein getupfte Passagen, entfaltet eine große Bandbreite der Dynamik.  Der langsame Mittelsatz wird wie von ihr angekündigt zum Herzstück der Sonate; sie gibt ihm mit  zarten, dichten Melodiebögen Bedeutung. Große Sorgfalt widmet sie jeder noch so kleinen Phrase und entfaltet dabei ganz lebendige, frische Klangfarben. In überlegener Virtuosität führt sie das dreisätzige Werk zum Finale: glanzvoll, verspielt,  ideenreich.

Chopins h-Moll-Sonate

Ob Chopins von polnischer Glut getränkte Klangsprache gut aufgehoben sei, darüber gibt es geteilte Meinungen. Katharina Schlenker zitierte dazu eine Aussage des Musikkritikers Joachim Kaiser, der meinte, Chopin hätte sich "in einen feinen europäischen Sonntagsanzug gezwängt", um diese Sonate zu komponieren.

Und doch: frei, impulsiv und gefühlsbetont, brennend von romantischem Pathos gestaltet die Pianistin das Werk im marschartigen Duktus des ersten Satzes. Das Scherzo glitzert, tobt virtuos in graziöser Perpetuum-mobile-Bewegung und kontrastiert zum Mittelteil, in dem sie wunderbar frei strömende Melodien über langen Orgelpunkten entwickelt.

Zum tiefsinnigsten Satz wird ihr das Largo. Nach den kraftvoll harten Einleitungspunktierungen überzeugt sie mit sensibler Interpretation der quasi unendlichen Melodie und vermittelt meditativ etwas von einer Chopin’schen Nocturne-Stimmung. Was die Pianistin im Spiel dieser galoppierenden Triolenrhythmik, bei der immensen Steigerung der immer wiederkehrenden abwärts gerichteten Läufe zeigte, bildete in virtuoser Brillanz einem mitreißenden Schluss. (elk)


Reutlinger General-Anzeiger | 05.02.2014

Brilliantes und präzises Spiel

Auf dem Programm der Klaviermatinée mit der Münsingerin Katharina Schlenker standen gestern Chopin und Mozart. Veranstalter war die Gesellschaft der Musikfreunde.
Foto: Ralf Ott

Katharina Schlenker gibt Klaviermatinéekonzert im Gemeindehaus

Im evangelischen Gemeindehaus veranstaltete die Gesellschaft der Musikfreunde gestern Vormittag eine Klaviermatinée mit Katharina Schlenker. Auf dem Programm standen Mozart und Chopin.

Man muss nicht immer Künstler aus weit entfernten Gegenden engagieren, um Musik auf hohem und höchstem Niveau zu vermitteln, denn "das Gute liegt so nah". Was ist das "Gute"? Das "Gute" ist die aus Münsingen stammende, mehrfach mit dem ersten Preis des Bundeswettbewerbs "Jugend musiziert" ausgezeichnete Pianistin Katharina Schlenker. Nicht zum ersten Mal hat ihr die Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen Gelegenheit gegeben, sich einer breiten Zuhörerschaft zu präsentieren.

Münsingen darf sich glücklich nennen, einer solch hervorragenden Künstlerin Heimat zu sein. Und glücklich durften auch die sehr vielen Zuhörer sein, die am Sonntagmorgen im Evangelischen Gemeindehaus die Matinée besuchten, deren Ausführende Katharina Schlenker war.

Auf dem Programm, das der Klaviersonate gewidmet war, stand als erstes die Klaviersonate Nr. 2 F-Dur Köchelverzeichnis Nr. 280 von Wolfgang Amadeus Mozart. Nach dem mit einem Arpeggio-Dreiklang beginnenden Thema des ersten Satzes folgen Triolen aus gebrochenen Akkorden und die folgenden Staccato-Passagen sowie das zweite Thema wurden von der Pianistin mit einer solchen Brillanz und einer solchen Leichtigkeit präzise auf dem Bösendorfer-Flügel gespielt, dass man meinte, es wäre ein Kinderspiel, obwohl gerade diese Stellen ein enormes virtuoses Können und ein gerüttelt Maß an handwerklicher Arbeit erfordern.

Der zweite Satz, ein Siciliano (das ist die musikalische Form eines italienischen Hirtentanzes, der übrigens nichts mit Sizilien zu tun hat, in der Barockmusik häufig vorkam und auch von Mozart in zahlreichen Werken verwendet wird) ist in der Molltonart gehalten, wodurch eine kummervolle Stimmung ausgedrückt wird.

Diesen Satz mit der fast schmerzhaft-süßen Melodie spielte Katharina Schlenker im 6/8-Takt und den punktierten Rhythmen feinfühlig und mit zarter Hingabe. Im letzten Satz zeichnete sie dann frische Pinselstriche mit einer ungeahnten und forschen Fingerfertigkeit in das Gehör der Besucher und entsprach damit dem Wunsch Mozarts, am Schluss eines Rondos die Hörer hinauszukomplimentieren.

Im zweiten Teil erklang die Klaviersonate Opus 58 von Fr. Chopin. Ob man diese Sonate, die der Komponist selbst als "Konzert ohne Orchester" bezeichnete, als eines seiner monumentalsten einstuft, mag dahinstehen.

Sicher ist, dass dieses Werk nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch was die Darstellung anbelangt, vom Interpreten ein Höchstmaß an Können und künstlerischer Gestaltung abverlangt. Und beidem wurde Katharina Schlenker gerecht. Sie vermochte den durchaus romantischen Charakter dieser Sonate den Zuhörern zu vermitteln. Da gab es keine polnische Folklore, aber eine Fülle von musikalischen Einfällen und Verzierungen, herrlichen Melodien, vielfarbigen Klängen und schwelgerischen Harmonien. Im Scherzo flogen die Finger nicht nur hurtig, sondern fast gespenstisch schnell über die Tasten, um dann im langsamen Teil als Gegensatz wieder Frieden und Ruhe zu stiften. Im Finale mit den dunklen Akkordbergen schlugen die geradezu zauberhaft herabfallenden Tonleiter wie Blitze in die dräuende Landschaft ein.

Es war ein spannendes und mitreißendes Hörerlebnis. So sollte jeder Sonntag beginnen.


ALB-BOTE | Manfred Frischknecht | 03.02.2014

Gesangskunst und viel Humor

Das Vokalquartett "Drops" begeisterte die Zuhörer beim mittlerweile zehnten Neujahrskonzert der Gesellschaft der Musikfreunde in der ausverkauften Münsinger Zehntscheuer.
Foto: Maria Bloching

Vokalquartett "Drops" begeistert beim 10. Neujahrskonzert der GdM

Das Vokalquartett "Drops" begeisterte in der vollbesetzten Zehntscheuer am Freitagabend mit Gesangskünsten, Feingefühl und viel Humor. Sie boten niveauvolle Unterhaltung mit nostalgischem Charme.

Die Akteure sangen, tanzten, scherzten und verbreiteten gute Laune. Mit Schlagern der 20er- bis 50er Jahre, mit Swing, kabarettistischen und literarischen Chansons, heiterer Klassik und Evergreens ebneten sich die vier professionellen Sänger in Frack und Lackschuhen den direkten Weg in die Herzen der begeisterten Konzertbesucher.

Von Beginn an ließen sich die Zuhörer von diesem erstklassigen Vokalensemble verzaubern, hingerissen verfolgten sie den Gesang, der in höchster Qualität ohne jegliche technische Unterstützung, aber unter professioneller Begleitung des Pianisten Stanislav Boianov, dargeboten wurde. Tenor Hans-Ulrich Henning, Tenorbariton Georg Thauern, Bariton Volker Schrewe und Bass Stefan Drees eroberten mit ihrer charmanten, lockeren und witzigen Art Bühne und Publikum. Mit höchster Präzision sangen sie sich durch die Musikgeschichte und überzeugten mit einer einzigartigen Mischung aus perfektem Gesang, originellen Arrangements und einem kurzweilig zusammengestellten Repertoire.

Glasklare Stimmen und höchste Präzision

Glasklare Stimmen, schöne Harmonien und leise, fein abgestimmte Bass- und Rhythmuseffekte interpretierten auch die feinsten Nuancen unterschiedlicher Songs auf virtuose Weise. Dennoch wirkte die gesamte Inszenierung leicht und locker, wohl mitunter auch dank der Texte, die häufig vor Selbstironie und Wortwitz strotzten.

Die vier Stimmen mit ganz persönlicher Färbung fügten sich gleichberechtigt zu einem melodischen Ganzen mit eigenem Stil zusammen, innerhalb kürzester Zeit hatten die Sänger ihr hingerissenes Publikum um den Finger gewickelt. Dass bei diesem Vokalquartett mit allem zu rechnen ist, wurde bereits beim ersten Stück, einem Renaissance-Madrigal, deutlich. "Mit diesem französischen Liebeslied wollen wir beweisen, dass wir Kultur haben", scherzte Hans-Ulrich Henning, der galant und humoristisch durch den Abend führte und auch die höchsten Tenortöne perfekt beherrschte.

Er gehörte dem Vokalquartett "Drops" schon vor mehr als 20 Jahren an, als es zum ersten Mal in Münsingen auftrat. Seither sind die Künstler immer wieder zu Gast auf der Alb. Dass man das Ensemble hier kennt, schätzt und zu genießen versteht, machte der Besucherandrang und der begeisterte Beifall deutlich. So kam die Mischung aus Witz, tiefsinnigen Gedankenspielen und musikalischen wie szenischen Überraschungsmomenten bestens an. Lieder wie "Ich brauche keine Millionen" und "Berlin im Licht" spannten den Bogen zur aktuellen Politiksituation, machten aber deutlich, dass es doch mit der Liebe ein weitaus wichtigeres Thema gibt. Wie vielfältig LAmour zelebriert werden kann, bewies das Vokalquartett mit Songs wie "Was kann der Sigismund dafür", "In einer kleinen Konditorei" oder "Cest si bon".

Verliebte Clowns und heulende Eunuchen auf der Bühne

Mal gaben sich die Sänger als verliebte Clowns, mal als heulende Eunuchen, mal ließen sie eine Stubenfliege um die List-Büste schwirren und übersetzten dann wieder ein amerikanisches Werbeplakat für die Festspiele in Oberammergau originalgetreu mit "Lets go to Oberammergau", Schuhplattler und amerikanischem Akzent. Das Ensemble unternahm eine musikalische Reise nach Italien und in den Nahen Osten ins "Café Oriental", es warf seine Beine im Cancan zur "Bar zum Krokodil" in die Höhe und zündete zum großen Finale ein grandioses Feuerwerk mit den legendären Comedian Harmonist-Stücken "Veronika der Lenz ist da" und "Mein kleiner grüner Kaktus".

Für brausenden Beifall sorgte die literarische und musikalische Aufarbeitung von "Lili Marlen". Das Vokalquartett bediente sich dabei dichterischen Werken von Heinrich Heine, Johann Wolfgang von Goethe und Wilhelm Busch und flocht fantasiereich den Text des Liedes ein, während Pianist Boianov alle Register zog und die Melodie in unterschiedlichen Kompositionen von Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms, Johann Strauß und Wolfgang Amadeus Mozart virtuos unterbrachte. Dank der "Drops" wurde auch das mittlerweile zehnte Neujahrskonzert der Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen, das in Zusammenarbeit mit der Stadt Münsingen veranstaltet wurde, zu einem bemerkenswerten künstlerischen Ereignis, bei dem von den herausragenden Akteuren Gesangskunst und virtuose Musikalität vom Feinsten präsentiert und mit nostalgischem Charme garniert wurde.


 ALB-BOTE | Maria Bloching | 07.01.2014

Vier Herren, viel Witz

Neujahrskonzert – Vokalquartett Drops macht Laune

Zugegeben: Mit Johann Strauss ins neue Jahr zu walzern hat schon was. Eine erfrischende Alternative zum Klassiker bot die Gesellschaft der Musikfreunde in Zusammenarbeit mit der Stadt Münsingen. In der Zehntscheuer sorgte ein komödiantisches Herren-Vokal-Quartett für beste Laune: spritzig wie Champagner und – natürlich – auch viel witziger als Massen-Mitklatschen beim Radetzky-Marsch.

Die vier Sänger und ihr Pianist, die als die Drops auf der Bühne stehen, sind mehr als ein Comedian-Harmonists-Gedächtnis-Ensemble. Keine Frage, die unvermeidliche Veronika und ihr Lenz sind da und der kleine grüne Kaktus sticht immer noch. Aber erst ganz zum Schluss. Zuvor aber dürfen sich die Zuhörer neben Bekanntem vor allem auch über viel Unerwartetes und Eigenständiges freuen.

Französisches Madrigal

So »schocken« Hans-Ulrich Henning, Georg Thauern, Volker Schrewe und Hans-Peter Bendt ihr Publikum gleich zu Beginn mit einem Ausflug in ein gänzlich anderes Genre. Den Vortrag eines französischen Madrigals aus der Renaissance kommentiert Tenor Hans-Ulrich Henning so: »Wir wollten einfach mal beweisen, dass wir auch Kultur haben.«

Keine Frage, Unterhaltung und Anspruch gehören bei den Drops zusammen. Sie sind in der Lage, völlig unterschiedliche Klangbilder zu erzeugen – dem cleanen Sound der Renaissance stehen Schmelz, Schmalz und Witz der 20er- und 30er-Jahre-Schlager gegenüber. Die »kleine Konditorei« überziehen die Herren mit einer ordentlichen Schicht Zuckerguss.

Aus Kitsch wird Comedy

Wird’s gar zu schwülstig, hilft nur noch Ironie: Das Chanson »Je vous aime« verziert Hans-Ulrich Henning mit einem Solo der imaginären singenden Säge, gepfiffen und gezwitschert nach allen Regeln der Kunst. Die anderen stimmen mit Trillerpfeife und Blechtassentrommel ein. So wird aus Kitsch Comedy. Einfach göttlich: Der »schöne Sigismund«, den die Drops in ihrer Version in der letzten Strophe – Sigi ist inzwischen 80 – in feinstem Johannes-Heesters-Timbre zittern lassen.

Dass das Ensemble den armen Ralf Benatzki rettet, den fast jeder nur als Komponisten des »Weißen Rössls« kennt, ist sehr verdienstvoll: Die »Drops« geben die vier verliebten Clowns aus der Operette »Zirkus Aimée« und besingen, zum Kringeln komisch, ihre Zirkusprinzessin, »die heiß geliebte doofe Ziege«.

Alle lieben Lili Marleen

Zum unangefochtenen Höhepunkt des Abends wird die Frage: Wie viele Männer hatte »Lili Marleen« eigentlich? Die Antwort der Drops: Alle. Vom Mittelalter bis in die Romantik sind ihr die großen Künstler verfallen und haben ihr Werke gewidmet. Die vier Sänger geben auf der Bühne irrsinnige Reime zum Besten und spannen den Bogen von Goethes Erlkönig-Marleen bis hin zur Lili-Loreley im Stil von Heinrich Heine.

Auch Pianist Stanislav Boianov, bis dahin brav im Hintergrund, hat nun seinen großen Auftritt: Wie er Themen von Bach, Mozart, Brahms und Strauss auf Lilis Marleens Melodie treffen lässt und zu aberwitzigen Variationen ausbaut, ist schlichtweg grandios. (GEA)


Reutlinger General-Anzeiger | Marion Schrade | 07.01.2014